Das Egerland

Es hat seinen Namen von dem Fluss „Eger“, der im Fichtelgebirge entspringt,  bei Hohenberg über die Grenze nach Böhmen fließt und bei Leitmeritz in die Elbe mündet.

Es umfasst  das Gebiet der ehemaligen „Freien Reichsstadt Eger“, im weiteren Sinne den Oberpfälzer Wald, den zum Egertal steil abfallenden Rand des Erzgebirges, den Kaiserwald mit dem südlich gelegenen Tepler Hochland, das Falkenauer Becken und das Duppauer Gebirge.

Im Kerngebiet des Egerlandes findet man noch heute die stattlichen Vierseithöfe mit ihrem typischen Fachwerk. Die alte Stauferstadt Eger, die in vielem Ähnlichkeit mit Nürnberg hat, wird von der Kaiserpfalz Barbarossas überragt. Das Egerland war nicht nur bäuerliches Kernland, sondern auch ein wichtiges Durchgansland. Die sogenannte „Goldene Straße“ führte von Nürnberg nach Prag.

Im Ascher Zipfel und in Fleißen war die Textilindustrie zu Hause; im Erzgebirge der Zinn- und Silberbergbau und das Spitzenklöppeln; in Abertham  die Handschuhmacherei; in der Geigenmacherstadt Schönbach bei Eger wurden Saiteninstrumente von Weltruf gebaut; Graslitz war berühmt für den Blech- und Holzblasinstumentenbau; im Falkenauer Becken der Braunkohlenbergbau; in Falkenau, Neusattl, Chodau, Alt- und Neu-Rohlau, Fischern u.a. die Porzellanindustrie; Saaz ist noch heute berühmt für seinen Hopfen und Joachimsthal für seine Radium- und Uranerzgewinnung.

Im Süden des Falkenauer Beckens liegt der Kaiserwald. Tiefe Täler, wie das Tepltal, haben sich schluchtartig eingeschnitten. Kurz vor dem Austritt der Tepl in das Egertal liegt das nach Karl IV. benannte Karlsbad mit seinen heißen Quellen. Am Westrand des Kaiserwaldes liegt das waldumsäumte Weltbad Marienbad. Die nordwestliche Spitze des „Bäder-Dreiecks“ bildet Franzensbad.

Bedeutende Städte des Tepler Hochlandes sind Tepl mit seinem berühmten Prämonstratenser-Stift, die Musikstadt Petschau mit ihrem trutzigen Fürstenschloß, Buchau, Luditz und die Silberbergbaustadt Mies. Das Duppauer Gebirge hat seinen eigenen Reiz durch die steil abfallenden Tafelberge. Kaaden, Klösterle, Gießhübl und Krondorf waren durch den Versand von Tafelwasser(Säuerlingen) bekannt.

Ingrid Deistler

Quelle: „Ostdeutschland und die deutschen Siedlungsgebiete in Ost- und Südosteuropa in Karte, Bild und Wort“ Südwest Verlag München

Das Egerland liegt im Nordwesten Böhmens, also im Herzen Europas.  Die Stadt Eger, die zu den ältesten Städten der Böhmischen Länder gehört, war seit ihrer Entstehung im  11.Jahrhundert ein wichtiger Schnittpunkt bedeutender Handelswege. Früher im Nordgau gelegen wurde das Egerland 1322 von König Ludwig dem Bayern an Böhmen verpfändet.

Die reichen Dörfer mit großen Bauernhöfen im fruchtbaren Teil des Egerbeckens befanden sich entlang der Flüsse Eger und Wondreb. In Schönbach und Umgebung entstand die Schönbacher Geigenbauschule, aus der selbstbewusste und welt-bekannte Instrumentenbauer hervorgingen; 1925gab es hier über 4500 Heimarbeiter sowie Geigen- und Gitarrenbauer. Im benachbarten Fleißen, das sich zu einem Zentrum der Textilindu-

strie entwickelt hatte, waren in den zwanziger Jahren rund 2500 Arbeiter beschäftigt; in der Stadt Wildstein wurden Mengen an Kaolin und Lehm abgebaut. Franzensbad, das schon im 15.Jahrhundert wegen seiner Heilquellen als der „Egerer Säuerling“ bekannt war, ist zwar das kleinste Heilbad im Bäderdreieck mit Marienbad und Karlsbad, zählt aber zu den anmu- tigsten Kurorten.

Zwei Weltkriege und ihre Folgen hinterließen im Egerland und bei dessen Bewohnern dauerhafte Spuren. Ein Großteil der Egerländer akzeptierte die Entstehung der neuen Tschechoslowakischen Republik nicht und auch die Republik nahm sie nicht als staatstragende Bürger auf, es kam lediglich zu ihrer „Eingliederung“.

Die Folgen der Zwangsaussiedlung der deutschen Bevölkerung verwandelten allmählich das einst anmutige, besiedelte Egerland in ein gottverlassenes Grenzgebiet. Es kam zu einem bis dahin unbekannten und im zivilisierten Europa neuartigen Phänomen - es entstand ein seltsam verwüsteter, zerstörter, von jeglichem Leben gereinigter Raum zwischen den Welten. Die geplanten und ungeplanten Besiedlungswellen nach 1945 vermochten es nicht, im neu besiedelten Egerland einen Stand von mehr als die Hälfte der ursprünglichen Einwohnerzahl zu erreichen.

Im Jahr 1949 lebten im Bezirk Cheb lediglich  34463 Einwohner, davon in der Kreisstadt Cheb 14533.

Zum Vergleich: 1930 lebten dort 76000 Einwohner, davon in Eger  32875.

In Cheb selbst dauerte es 30 Jahre bis die Einwohnerzahl den Vorkriegsstand erreicht hatte. Und dies gelang nur durch die Eingemeindung von 24 Gemeinden und Ortschaften aus dem Umland. Das Los der Stadt Cheb nach 1945 wird so auch zu einem symbolischen Zeugnis für das Schicksal des gesamten Egerlandes. Drei konzentrierte Luftangriffe der Allierten Streitkräfte im Frühjahr 1945 löschten den gesamten Bahnhof, die ihn umgebenden Wohnhäuser und die größten Hotels der Stadt für immer aus.

Auch die gut gemeinten Versuche vieler neuer Siedler auf dem Lande im Egerland sesshaft zu werden und sich hier eine neue Heimat aufzubauen, endeten nach 1948 mit der kommunistischen  Kollektivierung. Verwaiste Schulen, baufällige Kirchen und ge-schlossene Gasthöfe wurden zu einer gängigen Begleiterscheinung der entvölkerten Ortschaften. Einige Dörfer an der Grenze schafften es nicht einmal mehr, neue tschechische Namen zu erhalten (Boden, Wies, Rathsam, Fischern) und wurden von den Grenzsoldaten dem Erdboden gleichgemacht.

Von den ursprünglich 61 selbständigen Gemeinden wurden bis 1980 insgesamt 50 aufgelöst, 34 davon waren völlig zerstört und dem Erdboden gleichgemacht worden. Die verschwundenen Orte (tsch. Behördensprache : „versenkte Dörfer“) findet man nur noch auf alten Landkarten und Fotografien.

Aus dem Sprachgebrauch verschwinden allmählich ihr deutschen Namen. Es bleibt uns nichts anderes übrig als diese im Gedächtnis zu bewahren, um so in der Lage zu sein, den Wanderern, die heute auf den Wegen des verschwundenen Egerlandes unterwegs sind, wenigstens Auskunft geben zu können.

 

Horst Biedermann

[ Quelle :  Jaromir Bohac, Roman Salamanczuk :    Das verschwundene Egerland      Cheb2008]